Aufwachen, um einen Traum zu leben

Jahre hats gedauert, bis ich mich wachgerüttelt, meinen ganzen Mut zusammengekratzt und mich gepackt habe. Für eine neue Herausforderung und ein noch grösseres Abenteuer. Nämlich woanders zu leben. Das «Wo» war von Anfang an klar – in Kanada. Für das «Anders» war ich offen. Es sollte sich einfach von meinem bisherigen Leben unterscheiden.

 

Jahre zuvor auf einer Wanderung im Himalaya traf ich einen Kanadier. Eingeschneit in unserer Unterkunft waren wir zum Abwarteten gezwungen. Und so hatten wir alle Zeit der Welt und nichts anderes als unsere Gesellschaft. Inmitten der höchsten Berge der Welt, umgeben von einer atemberaubenden Landschaft begann der Kanadier von seiner Heimat zu schwärmen. Einem Ort, der vor Outdoor Aktivitäten pulsiere, in dem Freiheit gelebt werde und die Natur so nah und weit sei wie das Auge reiche. Es sei eine Gegend mit mehr Elchen als Menschen, ganz im Norden Kanadas nahe an der Grenze zu Alaska. Nur schon der Name – Whitehorse – lässt erahnen, dass es ein aussergewöhnlicher Ort sein muss.

 

Ich liess die Erzählung des Kanadiers auf mich wirken. Je länger seine Worte in mein Bewusstsein sickerten, desto mehr erinnerte ich mich. Daran, dass ich mir schon sehr lange erhoffte, einmal für eine Weile in Kanada zu leben. Einen Traum, den ich praktisch so lange ich ihn habe, schlafen gelegt habe. Eingelullt mit den tröstenden Worten «irgendwann mal». Doch nun, durch diese Begegnung aus seinem Tiefschlaf aufgewacht, wurde dieser Traum von Kanada immer realer. Es sollte jedoch nochmals über ein Jahr dauern, bis mein «Irgendwann» endlich soweit und ich bereit war.

 

So stand ich am 31. März 2019 am Flughafen in Zürich und sammelte mich für das, was kommen sollte. Whitehorse war das Ziel, denn – ihr erinnert euch – der Kanadier hat gesagt es sei toll da. Dann muss es das wohl auch sein, dachte ich mir und buchte Monate zuvor mein Flugbillett. Nachforschungen machte ich keine und vertraute darauf, dass alles gut kommen wird. 

 

Als ich einen Freund überreden wollte mich besuchen zu kommen, war seine erste Frage, wie kalt es da sei. Aufgrund meiner mangelnden Recherchen konnte ich ihm seine Frage nicht beantworten und er schaute selber nach. Ob ich wisse, dass es im Winter kälter als –40 Grad werden könne, fragte er mich. Ich schluckte leer – das wusste ich nicht – und sagte nur: «Ach, so lange bleibe ich nicht». Wie man sich täuschen kann. Der Freund kam mich schlussendlich nicht besuchen. Man kanns ihm nicht verübeln. Doch Dank ihm habe ich meine Skijacke anstelle eines Sommerrockes eingepackt. Diese hat sich bereits im Sommer bewährt.

Fabia Meyer · hello@fabia.me